Die Erinnerung lebendig halten, die Opfer ehren

Erste Stolpersteine werden in Einbeck am 12. Februar verlegt | NS-Opfer waren Nachbarn und Einbecker Bürger

Einbeck. Auch in Einbeck wird es künftig Stolpersteine geben. Ein Initiativkreis setzt sich seit längerem dafür ein, dass die Erinnerung an Vertreibung und Tötung von Juden, politisch Verfolgten und weiteren Opfergruppen im Nationalsozialismus als dauerhafte Mahnung lebendig bleibt. Die ersten Stolpersteine, Gedenktafeln aus Messing, die an erfolgte oder getötete Einbecker erinnern, werden am 12. Februar verlegt. Künstler Gunter Demnig aus Köln wird sie vor vier Häusern in der Innenstadt in den Boden einlassen.

Die Tafeln werden vor den letzten freiwilligen Wohnorten der Opfer aus Einbeck angebracht. Sie waren Nachbarn, Geschäftspartner, Kaufleute, Einbecker Bürger, die nicht vergessen werden sollen. Die Stolpersteine sollen die Namen zurückbringen und an jedes Schicksal erinnern. 1998 haben sich die Autoren des Buches »Verloren, aber nicht vergessen: Jüdisches Leben in Einbeck« intensiv mit der Aufarbeitung der Geschichte jüdischer Familien in Einbeck beschäftigt. 2004 wurde der Förderverein Alte Synagoge gegründet, 2008 eine Tafel mit den Namen jüdischer Mitbürger am Alten Rathaus angebracht - dort, wo sich zu NS-Zeiten der »Stürmer-Kasten« befand. Mit Stolpersteinen beschäftigt sich ein Initiativkreis, organisatorisch mit dem Förderverein Alte Synagoge verbunden, seit Frühjahr 2014.

Unter anderem wurden Kontakte zu Gunter Demnig geknüpft: Der Kölner hat bereits rund 50.000 Stolpersteine in Deutschland und mehreren europäischen Ländern verlegt und damit das weltweit größte dezentrale Mahnmal geschaffen. Der Nationalsozialismus habe die Opfer entmenschlicht und sie zu einer Nummer gemacht. »Jetzt erscheint ihr Name wieder dort, wo sie gelebt haben«, erläutert Joachim Voges vom Förderverein Alte Synagoge die Idee. »Sie haben in Einbeck gelebt, sind hier aufgewachsen, waren ganz normale Mitbürger und haben sich selbst auch so empfunden«, ergänzt Dr. Elke Heege. Und bis in die 1920er Jahre hinein habe der jüdische Glaube auch keine Rolle gespielt. Zwar habe es in der Regel nur wenig private Kontakte gegeben, das könne man aus verschiedenen Quellen schließen, aber über Schulen oder Vereinsaktivitäten hätte man sich doch kennenlernen können.

Danach habe sich die Stimmung aber nach und nach verändert, und mit dem Erstarken des Nationalsozialismus hätten sich viele Einbecker einreden lassen, die Juden seien schlechte Nachbarn. Der Initiativkreis freut sich, dass der vielbeschäftigte Künstler Gunter Demnig relativ schnell einen Termin gefunden habe für die Verlegung in Einbeck: Am 12. Februar soll es soweit sein. Auch die Stadt Einbeck habe sich sehr entgegenkommend gezeigt. Beginn ist um 9 Uhr am Haus Bürgermeisterwall 6. Nach einem kurzen Musikstück beginnt Gunter Demnig mit der Verlegung. Er sei inzwischen so routiniert, dass das ein schneller Vorgang sei, hieß es. Ein zehn mal zehn Zentimeter großer Stein, an dem die gravierte Messingplatte montiert ist, wird in die Erde eingelassen.

Der Künstler ist dabei für sämtliche Arbeiten vom Ausheben des Lochs über das Einpassen bis zum Verfüllen selbst zuständig, er sieht das als Teil des Projekts. Anschließend geht es in die Altendorfer Straße, die Maschenstraße, die Tiedexer Straße und ins Alte Rathaus, wo der Vormittag gegen 11.45 Uhr mit Klezmermusik von einem Streichquartett und bei Gesprächen seinen Abschluss findet. Die musikalische Begleitung vor den einzelnen Häusern übernimmt Gunther Tepelmann, Saxophon. Stolpersteine, das ist dem Initiativkreis wichtig, sollen nur dann verlegt werden, wenn Nachfahren und Angehörige, falls noch vorhanden, damit einverstanden sind und nachdem heutige Hauseigentümer informiert sind.

Bisher, berichtet die Gruppe, habe man überall Unterstützung erfahren, niemand habe sich dagegen ausgesprochen. Opfer ohne Angehörige nimmt der Initiativkreis besonders in den Blick, damit sie nicht ohne Würdigung bleiben. Spendengelder sollen vorrangig für diese Opfergruppe verwendet werden, denn die Finanzierung der Steine einschließlich der Verlegung - Kosten 120 Euro pro Stück – wird ausschließlich durch private Spenden ermöglicht. Dabei sei die Resonanz sehr gut gewesen, man werde auch weitere Aktionen so finanzieren können, kündigt die Gruppe an.

Denn Ziel ist es, weitere Stolpersteine zu setzen, an anderen Wohnorten jüdischer Familien oder auch dort, wo andere Opfer des Nationalsozialismus gelebt haben. Dazu soll noch weitere recherchiert werden. Insbesondere Schulen sind eingeladen, sich mit dem Thema Stolpersteine zu beschäftigen. Verschiedene Schulleitungen haben schon signalisiert, die Steine mit den Klassen zu besuchen und sich altersgerecht damit zu befassen.

Nach dem Beispiel anderer Städte wünscht sich der Initiativkreis Patenschaften für die Pflege der Messingtafeln. Schüler sind dabei ebenso als Helfer gern gesehen wie interessierte Bürger. Und vielleicht könnte man es hier so handhaben, wie in Nachbarorten: Dort greifen Freiwillige am 9. November, dem Jahrestag der Reichpogromnacht, zu Lappen und Putzmittel, um das Messing zum Glänzen zu bringen, die Erinnerung lebendig zu halten und somit den Opfern symbolisch die Ehre zu erweisen.oh