Flüchtlinge begrüßen und ihre ersten Wege begleiten

Runder Tisch Flüchtlingsbetreuung hat getagt | Bürger hilfsbereit | Freiwillige gewinnen, Räderwerk in Gang setzen

Flüchtlinge bei den ersten Schritten in ihrer neuen Umgebung begleiten, sie – auch buchstäblich – an die Hand nehmen und ihnen bei der Integration tatkräftig helfen, dieses Ziel verfolgt der Runde Tisch Flüchtlingsbetreuung, der sich jetzt erstmals getroffen hat. Im Oktober ist die Einrichtung bei einer Sondersitzung des Sozialausschusses beschlossen worden, und fast 40 Teilnehmer haben sich dazu versammelt. Dabei sei dies kein geschlossener Kreis, stellte Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek in ihrer Begrüßung fest: »Wer mitmachen möchte, ist willkommen.«

Einbeck. Konkrete Zahlen zu den für dieses Jahr erwarteten Flüchtlingszahlen lägen noch nicht vor, sagte der Leiter des Fachbereichs Bürgerdienste und Soziales, Arnd Severidt. Aktuell seien 67 Flüchtlinge untergebracht, die Zahl werde sich vermutlich erhöhen. Die Menschen, die aus den Aufnahmelagern kämen, würden »in eine neue Welt« gesetzt. Betreuung erfolge gar nicht. Kindergarten-, Schul- oder Arztbesuch, das Einleben in der neuen Wohnung: Alles könne mit Problemen behaftet sein.

Dabei sei Einbeck, erläuterte er, »gar nicht im Boot«; vielmehr sei der Landkreis zuständig. Für die Stadt wäre die Flüchtlingsarbeit eine freiwillige Leistung, für die kein Personal zur Verfügung stehe. Katrin Bäumler von der Koordinationsstelle Migration und Teilhabe beim Landkreis Northeim berichtete, von dort aus sorge man für die Unterbringung. Händeringend würden Unterkünfte gesucht, aber angemessenen Wohnraum zu finden, sei schwierig. Die Flüchtlinge erhielten bei ihrer Ankunft eine Liste, die sie abarbeiten sollten: Es gehe um die Anmeldung, wichtige Adressen, den Gang zum Jobcenter.

Die Aufstellung werde auch übersetzt, aber inhaltlich gebe es schnell Probleme. Allerdings sei damit auch die Zuständigkeit des Landkreises beendet. Jedoch habe der Kreistag beschlossen zwei Flüchtlingssozialarbeiter einzustellen. Die Ausschreibung läuft noch bis zum 30. Januar. Deren Aufgabe wird es sein, dort anzuknüpfen, wo die Betreuung derzeit endet. Gute Ansätze, erkannte Anja Linneweber, Schulsozialarbeiterin an den Berufsbildenden Schulen, seien vorhanden – aber man müsse sie mehr steuern. Die Menschen seien zunächst orientierungslos: Die Sprache sei ebenso fremd wie die Anforderungen: »Wer kennt in Syrien ein Jobcenter?« Es wäre wichtig, die Stellen, die für sie zuständig seien, tatsächlich einmal zusammen »anzulaufen«.

Ein weiteres Problem seien die Schulbesuche: So sei der Bildungsstand nicht unbedingt mit dem von gleichaltrigen deutschen Kindern zu vergleichen, einige seien gar nicht alphabetisiert. Auch für Sprachkurse gebe es bei diesem Stand des Aufenthaltsrechts keine vernünftigen Strukturen. Wer noch im Asylverfahren stecke, habe kein Anrecht darauf. An der Berufsschule könne man auf einige Schüler zurückgreifen, die übersetzen könnten, aber das sei eine Übergangslösung. Die Flüchtlinge nach der Ankunft zu begrüßen, zu führen und ihnen helfen, ihr Leben zu gestalten, wäre wichtig. Allerdings müsste man dann auch vor Ort wissen, wer wann komme. In vielen Gemeinden seien die Menschen zur Hilfe bereit, so die Erfahrung von Marco Spindler vom Diakonischen Werk. Derzeit werde um Freiwillige geworben. Entsprechende Fragebogen gibt es beim Diakonischen Werk, auch über die Internetseite der Diakoniestiftung, sowie im Einbecker Kinder- und Familienservicebüro am Hallenplan. Dort können sie auch ausgefüllt wieder abgegeben werden. Die Einsatzbereiche könnte man anschließend zu passenden Projekten koordinieren.

Der Kirchenkreis Leine-Solling strebe an, dafür eine halbe Personalstelle zur Verfügung zu stellen. Haupt- und ehrenamtliche Arbeit lasse sich so verbinden. Schwerpunkte sollten die Bereiche Alltagshilfe, Behörden, Mobilität sowie Sprache/Bildung sein. Freiwillige müsse man vorbereiten auf die kulturellen Hintergründe, mit denen sie sich beschäftigen würden, und man dürfe sie nicht überfordern. Von positiven Erfahrungen berichtete die Baptistengemeinde. Unerwartet habe man sich mit Hilfesuchenden beschäftigt, und das sei gut gelungen – inzwischen werde ein zweiter Sprachkurs vorbereitet, und auch psychische und soziale Hilfe habe es in der Gemeinde gegeben. Seine Landsleute in Einbeck stärker in die Pflicht nehmen möchte ein kurdischer Teilnehmer des Runden Tisches – man sollte sie ansprechen und um ihre Mitarbeit bitte. Wer schon länger hier lebe, könne denen, die neu ankämen, Hilfestellung geben. Was die Flüchtlinge hier erwarte, sei für sie völlig fremd. Viele hätten gerade ihr Leben retten können, müssten jetzt völlig neu beginnen. Hinzu kämen große sprachliche Schwierigkeiten. Kulturelle und traditionelle Besonderheiten müsse man ebenfalls berücksichtigen. Ideal, so Ratsmitglied und Ortsbürgermeisterin Antje Sölter, wäre direkte Hilfe: eine Flüchtlingsfamilie, ein Ansprechpartner.

Wenn die gut vernetzt seien, könnte ganz schnell etwas organisiert werden, wenn es etwa um Kleidung oder die Ausstattung der Wohnung gehe. In der Werk-statt-Schule ist im vergangenen Sommer ein Runder Tisch mit dem Schwerpunkt Integration gegründet worden. Beide Projekte sollen künftig zusammengeführt und dann Arbeitsschwerpunkte neu sortiert werden. Die nächste Sitzung wird am 17. Februar sein. Auf dieser Basis, so Bürgermeisterin Dr. Michalek, sollte man ein Räderwerk in Gang setzen, über das schnelle Hilfe möglich werde. Dem wichtigen Wunsch der Beteiligten, rechtzeitig zu erfahren, wer wann in der Region ankommt, wird der Landkreis möglicherweise so gar nicht nachkommen können. Die Stadt Einbeck kann und wird informiert werden, ebenso gegebenenfalls der zuständige Ortsrat – danach aber greift der Datenschutz. Dafür, war der Runde Tisch einig, müsse es noch eine vernünftige Lösung geben. Ganz ungünstig sei auch die gelegentliche Praxis, das die Menschen schon vor Ort seien und anschließend erst der behördliche Bescheid komme und ihre Ankunft offiziell mache.

Zum anderen wäre es wichtig, einen zentralen Ansprechpartner zu haben, vielleicht als Flüchtlingsbeauftragter, der sowohl Institutionen als auch Betroffenen helfen könnte – wie beispielsweise Thomas Freitag das viele Jahre als Flüchtlingsbetreuer bei der Stadt Einbeck gemacht habe.ek