»Probleme suchen, wo keine sind«

Einzelhandelsnutzung auf DiWi-Gelände: Klage erfolgreich | Stadt in Berufung

Einbeck. Einmal Einzelhandel, immer Einzelhandel – davon sind Dietmar und Thomas Wiest ausgegangen, als es um die Pläne für eine Veränderung auf ihrem DiWi-Firmengelände in der Hullerser Landstraße ging. Nachdem es mit dem Sonderpostenmarkt nicht mehr lief und auch Sanierungsbedarf bestand, haben sie sich vor einiger Zeit zusammen mit einer Wirtschaftsberatung überlegt, wie es weitergehen könnte. Doch so einfach, wie sich Vater und Sohn und auch der Fachmann aus Hannover das gedacht haben, läuft es bisher nicht. Die Stadt Einbeck hatte Bedenken, die Wiest GbR hat dagegen geklagt und in erster Instanz Recht bekommen – aber die Stadt hat angekündigt, in Berufung zu gehen.

Für die Hallen besteht eine Genehmigung für Einzelhandel. Die wollten Dietmar und Thomas Wiest nutzen und einen großen Bekleidungsmarkt mit hochwertigem Sortiment und angeschlossener Änderungsschneiderei, ein Café, einen Drogeriemarkt und ein Schuhgeschäft, ebenfalls im hochwertigen Sektor, dort ansiedeln. Der Bekleidungsmarkt hat bereits mehrere Standorte in Deutschland; das Konzept sieht vor, dass Änderungen sofort beziehungsweise mit kurzer Wartezeit, zu überbrücken beispielsweise im Café oder bei weiteren Einkäufen, vorgenommen werden.

Zudem ist die Kette auch Ziel von Busreisen. Eine Halle liegt aufgrund der früher hier entlang laufenden Stromleitungen tiefer. Die Fläche sollte angefüllt und auf Straßenniveau eine neue Halle gebaut werden. Und während dieses Vorhaben genehmigt wurde, erklärte die Stadt den auf 1.900 Quadratmetern geplanten Bekleidungsmarkt für nicht zulässig. Die Genehmigung, so die Begründung laut Wiest-Anwalt Dr. Axel Linneweber, gelte für Einzelhandel mit Warenhauscharakter. Das sei nun aber nicht mehr gegeben, also sei die Veränderung nicht zulässig. Dagegen gab es eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Göttingen. »In einem 40 Seiten umfassenden Urteil hat uns das Gericht bestätigt, dass Einzelhandel hier zulässig ist.« Das Gericht habe sich dabei große Mühe gegeben, so Linneweber, und die Stadt verpflichtet, der GbR von Dietmar und Thomas Wiest unter Zugrundelegung der Planungen von 2014 einen positiven Bauvorbescheid zu erteilen. Die Rechtsmittelfrist gegen das Urteil von Ende September ist in dieser Woche abgelaufen. Bereits Mitte Oktober hat der Verwaltungsausschuss nach Angaben von Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek beschlossen, dass die Stadt in Berufung gehen soll. Dazu sei vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg fristgerecht ein Berufungszulassungsantrag gestellt worden, wie sie auf Nachfrage bestätigt: »Es ist alles in die Wege geleitet.«

In der höheren Instanz solle, so Dr. Linneweber, die Frage geklärt werden, ob das Ansiedlungsvorhaben der übergemeindlichen Versorgung diene. »Die Stadt Einbeck möchte nicht, dass andere in Einbeck einkaufen – wer soll das verstehen?« Konsumgutachten hätten in den vergangenen Jahren festgestellt, dass es Bedarf an hochwertigen Schuh- und Bekleidungssortimenten sowie Drogeriewaren gebe. Weil so etwas fehle, gebe es einen Kaufkraftabfluss, den man durch solche Angebote aber stoppen könnte. »Deshalb haben wir die künftigen Mieter auch gezielt angesprochen«, berichtete Dieter Wiest. Gefragt würden mindestens 1.000 Quadratmeter.

Einen »Totalausfall« sieht der Rechtsanwalt bei der Wirtschaftsförderung: Sie habe keinen potenziellen Mieter oder Pächter vermittelt, und sie helfe nicht bei Problemlösungen, sondern suche diese erst. »Von da gab es nullkommanull Unterstützung.« Umso unverständlicher ist es auf Klägerseite, dass sich die Stadt nun nicht mit dem Urteil zufrieden gibt, sondern den nächsten Schritt gehen will. Der Anwalt ergänzte, er habe in der vierstündigen Verhandlung einen Vergleich angeboten, der jedoch von den städtischen Vertretern abgelehnt wurde.

Das Berufungsverfahren könnte nun zwei weitere Jahre dauern. Dabei sollte das Vorhaben eigentlich schon in diesem Sommer starten. »Wir haben bereits angekündigt, dass wir Schadensersatzforderungen stellen werden«, so Dr. Axel Linneweber, denn: »Hier geht ja nichts.« Diese Ausgaben können ebenso auf die Stadt zukommen wie die bereits aufgelaufenen Prozesskosten – schon jetzt in fünfstelliger Höhe.

Von den Argumenten, die die Stadt aufgefahren habe, sei jetzt nur noch die übergemeindliche Versorgung übriggeblieben. Dieter Wiest, auf den, zusammen mit seinem Sohn, die Einzelhandelskonzession läuft, spricht von »Willkür«, die er im Rathaus spüre. Bereits Ende der 90er Jahre hat er wegen seiner Geschäftsimmobilie einen Prozess geführt und gewonnen. Von dem Vorhaben könne ganz Einbeck profitieren, sind die Kläger und ihr Rechtsbeistand überzeugt: Wer hier einkaufe, beispielsweise im Rahmen einer Bustour, werde auch die Innenstadt besuchen. Es sei nicht so, dass der Einzelhandel an dieser Stelle Kaufkraft abziehe. Das Verhalten der Stadt sei nur schwer nachvollziehbar: »Da werden Probleme gesucht, wo keine sind.«ek